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Berliner Studienreihe zur Mathematik -- Band 11

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Edmund Landau

Grundlagen der Analysis

Ergänzt und kommentiert von Heinz Dalkowski


xii + 102 Seiten, broschiert, ISBN 3-88538-111-7, EUR 15.00, 2004

Die Schrift von Landau ist eine einmalige Erscheinung in der mathematischen Lehrbuch-Literatur: Es ist ein Buch ohne Literaturverzeichnis! Warum? Weil es am Anfang aller Bücher über Analysis steht und weil man nach absolvierter Lektüre getrost Infinitesimalrechnung betreiben kann, ohne der Furcht gewärtig sein zu müssen, irgendwann von dem Schrecken erfaßt zu werden, daß möglicherweise alles auf lückenhaften Fundamenten steht.

Das Buch ist 1930 in Leipzig erschienen und noch einmal 1970 als reprografischer Nachdruck in Darmstadt verlegt worden. Um es weiterhin Interessierten zur Verfügung zu stellen, ist die vorliegende Nachschrift, die die Struktur und den Aufbau des Originals absolut unangetastet läßt, entstanden. Die einzigen Abweichungen betreffen die behutsame Milderung des von Landau selbst so charakterisierten "unbarmherzigen Telegrammstils", einige unerhebliche Bezeichnungsveränderungen, einige vertretbare Beweisverlängerungen sowie einige zusätzliche Bemerkungen, die, um den Verlauf des Originals nicht zu stören, als Fußnoten zugefügt wurden. Etwas stärker hat sich natürlich das Druckbild durch Verwendung des modernen Buchsatz-Systems TeX verändert. Außerdem wird, gewissermaßen um Spuren zu hinterlassen, die auf die Entstehungszeit der Nachschrift hinweisen, gelegentlich die elementare Symbolsprache der Mengen verwendet, worauf Landau völlig verzichtet hat. Auf diese Weise kann die Bezeichnungsökonomie hier und da leicht verbessert werden.

Neu hinzugefügt ist das Kapitel 6, das die "Landausche Politik" auf Potenzen mit positiver reeller Basis und beliebigen reellen Exponenten ausdehnt und somit (Landaus Schrift abrundend) die Einführung von Logarithmen sowie die Herleitung ihrer Rechengesetze erlaubt.

Als Reverenz an den Autor wurden die Beweisführungen dort, wo selbst Landau der ermüdenden Wiederholungen wegen etwas knapp argumentierte (z.B. in den Beweisen zu Satz 182 oder Satz 199), der ansonsten von ihm konsequent durchgehaltenen Darstellung angepaßt. Die Neuausgabe ist insofern an einigen Stellen noch ein wenig päpstlicher als der Papst.

Dem Studienanfänger mag es absurd erscheinen, einer Aussage wie Satz 24 zu begegnen, aber man muß stockend lernen, daß etwas scheinbar absolut Selbstverständliches erst hergeleitet werden muß, wenn man streng axiomatisch voranschreitet und nur anerkennen darf, was wirklich bewiesen ist. Das ist in der höheren Mathematik unbestritten, doch daß es ebenso für die einfachsten Rechengesetze nötig ist, ist weniger geläufig. Vor allem ist es lästig, längst bekanntes Handwerkszeug "neutral und gründlich zu überprüfen". In die gnadenlos formale Entwicklung "bekannter Tatsachen" auf Grund axiomatischer Voraussetzungen muß der Anfänger sich erst hineindenken. Am Verblüffendsten in diesem Zusammenhang ist der Aufwand, der betrieben werden muß, um den gewohnten Umgang mit dem Summen- und dem Produktzeichen solide zu rechtfertigen. Man muß höllisch aufpassen, denn auf Schritt und Tritt lauert die Gefahr, längst geläufige Schlußfolgerungen zu benutzen, die vorerst jeder Grundlage entbehren. Gleichzeitig ist es richtig, daß man die Lektüre schlecht verdauen kann, wenn man nicht schon weiß, worum es geht. So richtig schätzen kann man diesen Edelstein der elementaren Mathematik-Literatur merkwürdigerweise nur dann, wenn einem bereits alles bekannt ist, was man eigentlich noch gar nicht wissen darf.

Landau selbst spricht in seinem Vorwort von "langweiliger Mühe", die er sich gemacht habe. Sicher, in gewisser Hinsicht langweilig ist auch die Mühe, alles noch einmal abzuschreiben oder auch nur nachzulesen. Aber nur in gewisser Hinsicht, denn zugleich erkennt man dabei mit Erstaunen, daß ganz elementare Rechengesetze, die jeder seit langem mit traumwandlerischer Sicherheit anwendet, praktisch nie und bei so gut wie keinem Mathematiker (letztere nicht so ganz unberechtigte Vermutung wird man mir nachsehen) die genaue Begründung erfahren haben, die sonst in der Mathematik Spielregel ist. Nicht zufällig schreibt Georg Feigl in seinem Referat [Referat-pdf] [Referat-html] in den Fortschritten der Mathematik 1930, Seite 192, das Buch "kann den Mathematikern aller Grade wärmstens empfohlen werden".

Feigl sagt in seinem Referat auch, Landaus Schrift sei "von mustergültiger, unübertrefflicher Klarheit und Exaktheit", notabene: "unübertrefflicher", nicht etwa bloß "unübertroffener". Diese Beurteilung weist in die Zukunft und bedeutet, daß auch die vorliegende Nachschrift, ungeachtet der leichten Veränderungen, das Original natürlich nicht übertrifft, weil es nicht zu übertreffen ist.

Wieviel Mühe die Ausarbeitung einer solchen Schrift tatsächlich kostet, davon kündet die Bemerkung Landaus, daß er sie "nach jahrelanger Vorbereitung" abgefaßt habe. Das mag man wohl glauben, wenn man die präzise durchdachte Abfolge der 301 Sätze, von denen keiner aus seiner Position gerückt werden darf, betrachtet. Hier ist ein Zitat aus Wagners Rheingold angebracht: "Kein Stein wankt im Gestemm." Landaus Annahme allerdings, man könne seine Schrift in zwei Tagen lesen, darf bezweifelt werden.

Der Neusatz des Textes erfolgte in VTeX, einer TeX-Variante von Micropress, Inc., im Internet unter http://www.micropress-inc.com zu erreichen.

Heinz Dalkowski, im August 2002


Inhaltsverzeichnis


Eine Biographie Edmund Landaus (1877--1938) findet man beispielsweise im Internet unter
http://www.math.uni-goettingen.de/Personen/Bedeutende_Mathematiker/landau.html